Flutlichtspiele haben ihre ganz eigene Magie. Wenn das gleißend helle Licht der Schweinwerfer den grünen Rasen unwirklich erscheinen lässt, die Synthetik-Trikots der Akteure zu flirren beginnen und die Ränge regelrecht abgedunkelt wirken, hat das schon manchen Betrachter von einer Inszenierung reden lassen. Dem Fotografen Christoph Buckstegen war das nicht ausreichend. Das Stadion als Theaterraum erschien ihm als zu schlichter Zugang. Buckstegen interessiert das Offensichtliche nicht, er sucht in seinen Arbeiten stets den anderen, den vielsagenden Blick auf die Dinge. So wählte er für sein Buch ausschließlich alte Stadien mit Flutlichtmasten, die noch dazu fest mit ihrer Umgebung identifizierbar sind und auf diese im wahrsten Wortsinn abstrahlen. Buckstegen fing Schattenspiele ein, Nebeneffekte oder einfach nur Halbdunkelheiten. Um es kurz zu machen: Die Aufnahmen, die Christoph Buckstegen in seinem Buch Flutlichter – seinem bereits zweiten Bildband bei den Spielmachern – zusammengestellt hat, sind wahrlich große Fußballkunst. Die Stadien tragen ihre alten Namen: Ruhrstadion, Grotenburg, Südstadion, Millerntor. Die Fotos zeigen keine Menschen, stattdessen geben sie den Blick frei auf einen Kinderspielplatz, Fahrradständer, ein Waldstück, das Schwimmbad am Weserstadion, eine Tankstelle. Zwischenzeitlich verlassene Orte. Für die Dauer von 105 Minuten. Und dann geht das Flutlicht wieder aus.
Rezension von 11FREUNDE:
Eine Tankstelle, daneben Straßenbahngleise. Es ist Abend, Ziffern blinken rot, die Straße ist leer, keine Menschenseele zu sehen. Von rechts durchbricht ein heller Lichtstrahl das Dunkle, illuminiert die kahlen Bäume und eine Hauswand. Bei vielen Betrachtern des Bildes erhöht sich automatisch der Puls. Und das liegt nicht an den Spritpreisen auf der Anzeigetafel, sondern an der Assoziation, die dieses Bild auslöst. Es ist Bochum, direkt daneben steht das Ruhrstadion, das heute nicht mehr so heißt. Ein Spiel muss dort stattfinden, auch wenn es nicht abgebildet ist, ein Abendspiel, ein Flutlichtspiel. Fußballfans aus ganz Deutschland kennen dieses Setting, diese Tankstelle und dieses Licht. Sie erinnern sich an ihre Auswärtsfahrten, sie hören die Gesänge, sie spüren die Atmosphäre. Christoph Buckstegen hat die Umgebung von Fußballstadien fotografiert, Bunker, Wälder oder Hauswände, auf die das Flutlicht der angrenzenden Stadien fällt. Die Betrachter füllen die Lücken, sie projizieren auf das Stillleben der Außenanlagen ihre Emotionen. Denn schließlich sind es nicht bloß Stadionanlagen, sondern Flutlichter, die die Welt bedeuten. Im Dezember führten wir auf unserer Internetseite die Artikelserie „Mein erster Stadionbesuch“ ein. Sehr oft kommt darin die unvergessliche Faszination der Flutlichtmasten zur Sprache. Sie waren der Anziehungspunkt für alle Anhänger, die Landmarken einer eigenen Welt. Und sie „gehörten zum Phänotyp der urbanen Kulisse“, wie es im Buch heißt. In den heutigen modernen Fußballarenen gibt es die langen Masten nicht mehr, umso wichtiger ist dieses Buch. Ein Zeugnis der emotionalen Strahlkraft dieses Spiels.