Rezension von 11FREUNDE:
Der Lehrer sagt: „Es gibt fünf Sinne: riechen, hören, schmecken, sehen und tasten.“ Ein Schüler antwortet: „Ich kann Bilder hören.“ Lehrer: „Nein, kannst du nicht.“ Der Schüler zeigt ihm ein Bild von Steven Gerrard, wie er im entscheidenden Spiel um die Meisterschaft 2014 gegen Chelsea ausrutscht. Sofort hat jeder britische Fußballfan den Aufschrei des Entsetzens im Stadion im Ohr. Dieser Witz von Fans, die es nicht gut mit dem FC Liverpool meinen, kursiert seit einigen Wochen im Netz. Man könnte ihn allerdings ganz ohne Gehässigkeit auf das Buch „An jedem verdammten Sonntag“ von Christian Werner übertragen. Auf 192 Seiten finden sich abstruse, schöne oder emotionale Bilder aus dem Amateurfußball. Und Werner schafft es, dass der Betrachter auch hier Bilder hören kann. Zum Beispiel die Sprüche der Meckerrentner am Seitenrand, die eine Kiste Bier in einer Sackkarre neben sich geparkt haben. Das Klackern von Stollenschuhen auf Asphalt oder das Titschen eines nassen Balles auf Schnee. Das Quietschen der Schuhe beim Amateurkick in der Halle. Dazu flicht Werner unschlagbare aufgeschnappte Dialoge zwischen die Bilder: „Du, ich finde deinen Spielerpass nicht. Naja, wir nehmen einfach den vom Max.“ Antwort: „Was? Das sieht der Schiri doch sofort.“ – „Quatsch. Und wenn doch, dann sag, du hast schlecht gepennt und dich rasiert.“ Ein anderer Dialog: „Die schmeißen hier nach ’ner Stunde das Handtuch und du hast extra gestern nichts getrunken und bist früh ins Bett gegangen“, ruft der Trainer der SG Buna Halle-Neustadt seinem Schützling zu. Der erwidert: „Naja, vier Glühwein habe ich schon getrunken.“ Bücher über die Schönheit des Amateurfußballs gab es in den vergangenen Jahren in so einer Fülle, dass man sich schon wundert, warum nicht noch Eckart von Hirschhausen auf den Zug aufgesprungen ist. Die allgemeine Müdigkeit vom großen Glamour-Business in den oberen Ligen lässt auch die Lobpreisungen der Kreisklasse blühen. Doch Werners Buch ist kein schneller Ritt über die Sportplätze des Landes. Der Fotograf fängt mit feinem Gespür die Atmosphäre und Besonderheiten auf den Kreisligaplätzen ein. Das wohl beste Bild auf Seite 158 zeigt einen älteren Herrn irgendwo in der Prärie in einem Bauwagen, an dem „VIP-Loge“ steht. Davor sitzt ein Halbstarker oberkörperfrei auf der Bank, während sich an der Seitenlinie ein korpulenter Kicker einen Eimer Wasser über den Kopf gießt. Das Bild spricht alle Sinne an, man hört förmlich, wie das Wasser vom Kopf und die Sprüche aus dem Bauwagen auf den Rasen tropfen.