Autor: Dominik Bardow
Verlag: Carpathia Verlag
Seiten: 336
Art: Klappbroschur
ISBN: 978-3-98630-020-3
Inhaltsangabe vom Verlag:
Verkatert erwacht Holger »Holle« Schneise in den österreichischen Alpen: Wie jeden Sommer ist der Reporter des Boulevardblatts Berliner Bote ins Trainingslager von Bertha HSC gereist, um über den größten und erfolglosesten Fußballklub der Hauptstadt zu berichten. Ein Alptraum für Schneise, der harte Arbeit ebenso verabscheut wie den Medienwandel in seiner Männerwelt, in der es nur noch um schnelle Klicks geht statt um echten Journalismus. Und war Fußball nicht auch mal basisnäher? Doch als er schon droht, den Frust und seine Karriere im Obstler zu ertränken, fällt ihm eine große Story vor die Füße: Halb trunken, halb träumend beobachtet er, wie der brasilianische Bertha-Star Jimmi das Mannschaftshotel verlässt und in einen Wagen gezogen wird. Ist er ausgebüxt – oder entführt worden?
Schneise beschließt, den verschwundenen Fußballer zu suchen, und erhält bald Hilfe von Influencerin Amira Brösel, Jimmis tougher Verlobter, die den faulen Reporter durch den alpinen Wahnsinn schleift. Welche Rolle aber spielen der Verein, Jimmis zwielichtiger Spielerberater und der russische Oligarch, der ebenfalls in dem österreichischen Dorf logiert?
Rezension aus 11FREUNDE:
Witzige Innensichten einer konservativen Branche
Das Genre Fußballkrimi ist nicht neu, schon in den dreißiger Jahren schrieb Gerald Verner den Roman „The Football Pool Murders“. Aber seit einiger Zeit wird man überschwemmt mit Krimis aus dem Fußballmilieu. Es gibt den Eintracht-Krimi, den KSC-Krimi, den BVB-Krimi, und ziemlich sicher schreibt irgendein Autor gerade an einem Sonnenhof-Großaspach- Krimi. Meistens drehen sich die Geschichten um einen entführten oder ermordeten Starspieler. Auch Dominik Bardow hat, zumindest auf den ersten Blick, einen Fußballkrimi geschrieben. Und auch bei ihm ist ein Spieler entführt worden. Aber viel mehr ist „Trainingslager“ eine großartige Medien- und Branchensatire. Das Setting: ein Provinzkaff in Österreich, Trainingslager des Bundesligaklubs Bertha HSC, „ein Verein des einfachen Volkes, erfolglos trifft arbeitslos“. (Ähnlichkeiten mit einem echten Verein zufällig.) Auch Reporterschlachtschiff Holle Schneise ist vor Ort. Typ latent schlechtgelaunt, denn er muss ansehen, wie sich die alten Männerbünden in seiner Fußballwelt auflösen, und dann ist da noch dieses blöde Internet, dieser Klickjournalismus: „Man saß eng an eng in der Content-Galeere. Statt Trommeln trieb die dort Rackernden das Rattern der Nachrichtenticker an. Und statt Peitschen knallten einem die Chefs Klickzahlen um die Ohren.“ Auch abseits von Holle Schneise lässt Bardow ein feines Figurenensemble auftreten: den gut frisierten Jungreporter vom Bezahlsender; den Trainerguru, der das richtige Mindset aus Amerika mitbringt; die Frau vom Radio („Oh, Weibsvolk is au’ anwesend“); den Krawatte tragenden Altreporter vom Fußballfachmagazin, dessen Bedeutung schwindet: „Liest denn keiner meinen Liveblog? Laut meinen Quellen hat er Patellasehne!“ Das Schöne ist: Alles ist genauso passiert. Oder so ähnlich. Bardow war selbst sieben Jahre lang Sportredakteur beim „Tagesspiegel“ und hat viele zähe Wochen in Trainingslagern verbracht. Er weiß sogar, wie sich der Magen nach einer Portion Mettigel mit Heringsrolle Hawaii anfühlt.