Autor: Thomas Hitzlsperger (mit Holger Gertz)
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Seiten: 224
Art: Paperback
ISBN: 978-3-462-00528-8
Inhaltsangabe vom Verlag:
Den Mut, mit dem sich Thomas Hitzlsperger am 8. Januar 2014 als erster deutscher Fußballprofi öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hat, hat er in seinem Leben immer wieder gezeigt: Schon als 18-Jähriger wechselte er als Jugendspieler von Bayern München in die englische Premier League zu Aston Villa, nach seinen großen Erfolgen in der Bundesliga als Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und in der Nationalmannschaft suchte er die nächste Herausforderung in der italienischen Serie A bei Lazio Rom.
Und nach dem Ende seiner überaus erfolgreichen Profikarriere wagte er den Sprung in den Sportjournalismus beim ZDF, der ARD und bei ZEIT ONLINE sowie ins Fußballmanagement als Vorstandsmitglied beim VfB Stuttgart oder heute als Teilhaber am dänischen Fußballclub Aalborg BK und Inhaber des Restaurants »L'Escargot« in London.
Sein Buch, das er mit dem SZ-Reporter Holger Gertz verfasst hat, ist eine abenteuerliche Lebensgeschichte, die in der bayrischen Provinz begann, in die drei großen europäischen Fußballligen führte und die ihn zu einem engagierten Kämpfer für Vielfalt und Toleranz, gegen Rassismus und Gewalt im Fußball und in der Gesellschaft werden ließ − auch wenn sich bis heute nicht alle Hoffnungen erfüllt haben, die Thomas Hitzlsperger mit seinem historischen Schritt vor zehn Jahren verbunden hat.
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Rezension aus 11FREUNDE #269
Vom „Hammer“ zur Symbolfigur
Zehn Jahre nach seinem Coming-out zieht Thomas Hitzlsperger Zwischenbilanz. Dass sich bis heute kein weiterer deutscher Nationalspieler zur Homosexualität bekannt hat, zeigt eindrucksvoll, wie groß der Mut des gebürtigen Bayers war, im Januar 2014 in einem „Zeit“-Interview sein Schwulsein öffentlich zu machen – und wie extrem der Leidensdruck unter Profis noch immer ist. Woran das liegt, erklärt Hitzlsperger, indem er einen intimen Einblick in die rund vier Jahre gibt, in denen er sich mit seiner Entscheidung gewunden hat. Er beschreibt die beiläufige Homophobie des Umkleide-Trash-Talks. Das Verhältnis zum eigenen Körper im Kampfsport Fußball, der permanent Nähe und Intimität mit sich bringt. Die Zweifel, ob Kollegen noch mit ihm unter die Dusche gehen würden, wenn er sich outen würde.
Die lähmenden Ratschläge von Beratern, die immer wieder vor den Konsequenzen warnen. Und schließlich, als alles klar scheint, die Sprüche vom eigenen Vater, „die nicht so cool waren“. „Mutproben“ aber illustriert nicht nur Hitzlspergers Suche nach sich selbst, der in England mit seiner damaligen Freundin bereits Hochzeitspläne schmiedete. Es erzählt auch, wie der Profi über den langen Weg der Selbstermächtigung nicht nur zur Symbolfigur der LGBTQ-Bewegung wurde, sondern auch zu einem profunden Beobachter und Kritiker des Fußballgeschäfts. Das Buch ist eine rasant geschriebene Lebensbeichte, vor allem aber liefert es aus der Sicht eines polyglotten Protagonisten, der nicht verhehlt, auch Profiteur des Ganzen zu sein, einen Rundumblick in ein zunehmend von sinistren Gestalten bestimmtes Milieu. Und auch für Fußballfans bieten die 224 Seiten genug Stoff, um einen erhellenden Blick in den Alltag von modernen Profis zu erhaschen, etwa wenn Hitzlsperger seine „Phase der Selbstzerstörung“ bei Lazio Rom rekapituliert, sein ambivalentes Verhältnis zum VfB Stuttgart oder seine gar nicht so märchenhafte Zeit während der WM 2006. Kurzum: Dieses Buch ist in jeder Hinsicht ein Ereignis.
Tim Jürgens