Autor: Dietrich Schulze-Marmeling, Bernd-M. Beyer
Verlag: edition einwurf
Seiten: 320 Seiten
Format: Paperback
ISBN: 978-3-89684-725-6
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Rezension in 11FREUNDE #281:
11 Opportunisten sollt ihr sein
Wer sagt, Politik habe im Stadion nichts verloren, leidet unter Realitätsverlust. Denn größer als der Volkssport Fußball ist hierzulande nur die Neigung, ständig Analogien zwischen politischen Schwingungen und der Nationalelf zu bilden. Die Autoren Dietrich Schulze-Marmeling und Bernd M. Beyer meistern also eine Herkulesaufgabe: Ein Buch, das den historischen Korrelationen zwischen Fußball und Politik auf den Grund geht. Das nachweist, wie bereits vor Gründung des DFB das Spiel politisch aufgeladen war und seither verlässlich instrumentalisiert wird. Walter Bensemann träumte bei den „Ur-Länderspielen“ noch von Völkerverständigung. Zu Weimarer Zeiten entstand der Mythos des Amateurs als ethisch wertigerem Sportler, der noch bis in die Sechziger die Perspektive bestimmte. Berufsfußball stand im Ruch, den Niedergang eines Volkes zu verantworten. Die Nazis wollten eine Nationalelf als Essenz der „Herrenrasse“, in der sich das Individuum bedingungslos der Gemeinschaft unterordnet. Die Schriften des DFB-Sekretärs Carl Koppehel prägten nach dem Krieg die Legende des unpolitischen Verbands, während in Frankfurt Alt-Nazis wie Peco Bauwens den Ton abgaben, der nach dem „Wunder von Bern“ schwadronierte, Kriegsgott Wotan habe der deutschen Elf beigestanden. Auch seine Nachfolger Gösmann und Neuberger führten den DFB eisern nach Vorkriegsprinzipien. Das Buch zeichnet das Bild eines zerrissenen Landes, das in seiner ersten Elf wahlweise den größten gemeinsamen Nenner erkennt oder das Symbol des Niedergangs. Ein Land, das Fußball zugleich abgöttisch liebt und stetig missbraucht. Erst Mitte der Siebziger hielten im Verband demokratische Denkweisen Einzug, was nicht verhinderte, dass noch 1994 ein späterer DFB-Boss eine jüdische Verschwörung hinter der Berichterstattung bei der WM vermutete. Die Autoren enden mit der Mund-Zu-Geste in Katar und der Fehldeutung der EM 2024 als „Sommermärchen 2.0“. Doch die Nationalelf – das ist sicher – wird ein politischer Spielball bleiben. Tim Jürgens
Inhaltsangabe vom Verlag:
Die deutsche Nationalmannschaft steht nicht nur mit ihren sportlichen Leistungen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Seit Spieler aus Migrationsfamilien mitkicken, fühlen sich rechtsradikale Kräfte herausgefordert. Die heftigen Diskussionen um den Auftritt in Katar oder Rüdigers Ramadan-Gruß zeigen zudem: Wenn es um die Nationalelf als Repräsentanten Deutschlands geht, ist immer auch Politik im Spiel. Das ist nicht neu. Dieses Buch verfolgt die "andere", die politisch gefärbte Geschichte der Nationalmannschaft. Zu den Stationen zählen der Missbrauch der Elf in der NS-Zeit, das "Wunder von Bern", der politisch gelungene Auftritt im WM-Finale 1966, das "Sommermärchen" 2006 und sein Revival 2024 sowie aktuell der Versuch rechter Kreise, die Nationalmannschaft als "undeutsch" zu diffamieren – gerade weil sie die gesellschaftliche Realität des Landes spiegelt.