Autor / Fotografien: Stuart Roy Clarke
Verlag: Spielmacher
Seiten: 240 (Festeinband mit Fadenheftung mit über 150 ganzseitigen Fotografien und Texten von Ronald Reng und Philipp Köster)
Inhaltsangabe vom Verlag:
Was verdammt noch mal ist mit dem Fußball in den letzten 25 Jahren geschehen? Wie war das eigentlich, ehe die Stadien zu Bühnen einer gigantischen globalen Unterhaltungsindustrie mit Dachmarken wie Champions League wurden? Wie war diese Zeit davor? Erinnert sich noch jemand? Der englische Fotograf Stuart Clarke führt uns mit seinem exklusiv bei den Spielmachern erscheinenden Bildband zurück ins England der frühen 90er Jahre, in die Zeit der Stehplätze, der Lad-Kultur und Ballonseiden-Trainingsanzüge. In eine Zeit, in der die Profis des FC Arsenal sich von Sonntagmittag bis Sonntagnacht zehn Stunden in einem Pub mit Bier volllaufen ließen. Die Fotos von Stuart Clarke zeigen die zeitlosen Eigenheiten des Brit-Fußballs: schmale, tiefe Eingangstüren in dünn gestrichenen Backstein- Stadionwänden in St. Mirren, ein Blechcontainer in Clydebank, der Tee verkauft. Und dazwischen ein Foto von Barnsleys kleinem Außenstürmer Martin Bullock, ohne Schuhe, in roten Socken, in inniger Umarmung mit einem dicken Fan – Fußballer und Fan vereint in der altenglischen Union von Profi und Zuschauer. „Auf Stuart Clarkes Fotos“ schreibt Autor Ronald Reng („Der Traumhüter“) in seinem in das Buch einführenden Essay, „bleibt der Traum lebendig, das einzigartige Milieu des englischen Fußballs lebe zeitlos fort. Wir sehen die Bilder und fühlen: Das ist England. The home of football. Damals, heute, immer.“
Rezension von 11FREUNDE:
Nostalgie ist die Sehnsucht nach einer Zeit, in der man auch schon nichts zu lachen hatte. Ihre volle Pracht entfaltet sie erst im wohligen Schauer desjenigen, den sie befällt: Irgendwie ist er doch froh, dass er all das hinter sich hat. Wer möchte während eines Fußballspiels wirklich noch im klammen Anorak auf Stehtraversen des Abstiegs harren, ohne Dach über dem Kopf, umtost von Herbstorkanen? Wer möchte auf dem Heimweg Schlachtenbummler in Urinpfützen ihren Rausch ausschlafen sehen, davon träumend, dass sie das Ende einer Partie endlich einmal wach erleben? All die grotesken Frisuren, die zerpflügten Plätze, all der rissige Beton: Ist es nicht begrüßenswert, dass der Fußball so modern und schick und familienfreundlich geworden ist? Jein. Denn der Nostalgiker, obwohl inzwischen ebenso modern und schick und familienfreundlich, hat ja selbst eine räudige Vergangenheit, die er am Leben erhalten will. Wie einen Straßenhund, den er zwar nicht mit nach Hause nehmen kann (was würde die Gattin dazu sagen?), aber verhungern soll er schließlich nicht.
Auch Fotograf Stuart Clarke stellt sich seinem inneren Straßenhund. Sein Band „The Homes of Football“ ist ein Hochamt der Nostalgie: Sehnsüchtig blickt er darin zurück auf die britische Fußballkultur der Neunziger – und
ist doch ehrlich genug, sie in ihren desolaten Zuständen zu zeigen. Sie war wie eine welke Blüte, die bald abfallen würde, und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Clarke nicht erst bei der Zusammenstellung dieses Bandes nostalgisch wurde, sondern es schon war, als er die Bilder schoss. Jedem einzelnen ist anzusehen, dass hier eine Epoche zu Ende geht und einer anderen weichen muss, die den Fußball jener Tage dereinst erscheinen lassen würde wie einen barbarischen Ritus. Auf einem Foto, 1997 entstanden bei Hereford United, führt ein Mann im weißen Kittel, ein Tierarzt oder Schlachter oder beides, einen kolossalen Bullen um dem Platz, dessen riesige Testikel knapp über der Grasnarbe baumeln. Es handelt sich dabei um eine Werbeaktion für eine lokale Brauerei, die Zuschauer beklatschen sie wohlwollend. Heute läuft die Reklame auf Videowürfeln, aseptisch und geruchslos. Der Fußball der Gegenwart ist supersauber. Der Preis dafür ist, dass er wohl niemals Nostalgie auslösen wird. Und von keinem solch grandiosen Buch gewürdigt wird wie dem von Stuart Clarke.
Ein Großteil der Fotografien aus diesem Bildband bieten wir auch hier im Shop in unserem Angebot an Fußballwandbildern an.